RE-LIGIO
Nicht, was Sie jetzt vermutlich denken ...
Re-ligio stammt aus dem Lateinischen und bedeutet nichts anderes als
Rück - verbindung und hat nur bedingt etwas mit den Weltreligionen zu tun. Mein kulturell/religiöser Hintergrund ist natürlich das Christentum. Es geht aber bei allen Re-ligionen mehr oder weniger um die Rückverbindung mit dem Ursprung unserer Herkunft.
Glaubensfragen
Wenn von Selbstentwicklung die Rede ist, dann ist doch eher eine Aufwärtsentwicklung gemeint. Was auch immer damit und von wem auch immer beabsichtigt war und ist - ein Bild eines zermarteren menschlichen Körpers, noch dazu häufig in einer wirksamen Ecke eines Raumes war für mich schon als Kind nie aufbauend. Das tut der Geschichte und Bedeutung des Ereignisses von ca. 2000 Jahren keineswegs Abbruch.
Trotzdem ist für mich persönlich wesentlicher, bedeutungsvoller und aufbauender folgendes Bild der Auferstehung aus dem Isenheimer Altar von Mathias (Mathis Gothart) Grünewald (um 1475 - 1528):
Das "korrektere" Vaterunser
Einer seiner Schüler bat Jeschu:
Lehrst du uns ein Gebet,
Wie Johannes seine Schüler gelehrt hat?
Da sagte er zu ihnen:
Wenn ihr betet sprecht:
Lass geheiligt werden deine Gegenwart!
Lass sich ausbreiten deine Herrschaft!
Lass geschehen deinen Willen!
Lass uns geben unsere Nahrung!
Lass uns vergeben unsere Sünden!
Lass uns retten aus unserer Versuchung!
Lukas 11,1-4/Matthäus 6,9-13 (kombiniert)
Dazu gibt es noch einen Kommentar des Autors. Details dazu folgen noch, besonders die "unselige" Sache mit "führe uns nicht in Versuchung"
Gebet
All ihr Wesen, ich verzeihe euch,
und will euch um Vergebung bitten,
für Leid durch Denken, Wort und Tat erlitten,
aus tiefer Seele mit ganzem Herz.
Getilgt sei alle Schuld und Schmerz!
So möge Gott auch mir verzeihn,
lässt mich von aller Schuld befrein.
Will dies tun in tiefer Reue,
will verletzen nicht aufs neue,
schon im Denken tilgen böse Saat,
dass sie keine Kraft zum Keimen hat.
Mag Willenskraft nur auf mich lenken,
statt andere damit zu kränken.
Aus Liebesmangel nichts und niemand schaden,
mich nicht mit neuer Schuld beladen.
"Wie ich will, dass mir getan,
So tu ich anderen, wenn es ihr Wille."
Dies Gebot sei meine heil´ge Hülle,
und möge leiten mich fortan.
R.F.L. Clarus
Kommentar:
Das Gebet enthält die goldene Regel mit einer interessanten Abweichung: "... wenn es ihr Wille."
Als
Grundlage für weitere Gedanken, hier die mir am zutreffendsten
scheinende Übersetzung der Bibelstelle von Günther Schwarz mit
Kommentar:
"Und wie ihr wollt,
dass die Menschen euch tun sollen,
so sollt ihr ihnen tun!
Dieser
Dreizeiler, die so genannte Goldene Regel, ist eine weisheitliche Regel
für das Verhalten zwischen Mensch und Mitmensch, galt und gilt also für
jedermann. In der hier bevorzugten Q-Lk-Fassung (2. Prs. pl.) setzt sie
ein beim Wollen zugunsten des eigenen Wohlergehens und zielt ab auf ein
Sollen zugunsten des Wohlergehens anderer Menschen; und zwar nach dem
wie ... so-
Zusammenhang, das heißt folgerichtig und gleichgewichtig.
In der negativen Fassung (2. Prs. sg.) "Was dir verhasst ist, tue
deinem Nächsten nicht!" war diese Verhaltensregel schon in
vorjeschuanischer Zeit in seinem Volk bekannt. Sie stammte von Rabbi
Hillel (um 20 v. u. Z.), und es ist nicht auszuschließen, dass Jeschu
sie gekannt hat. War es so, dann geschah es nicht zufällig, dass er ihr
eine positive Form (2. Prs. pl.) gab. Denn erst dadurch wurde sie
geeignet, ihm und seiner Lehre zu
dienen; und zwar als ein Kernsatz seiner öffentlichen Verkündigung."
Quelle:
Günther Schwarz
"Das älteste Evangelium"
Nach den Spruchquellen des Matthäus und des Lukasevangeliums mit Kommentaren.
Was kann der Verfasser des Gebetes gemeint haben? Soll es eine Ergänzung einer heiligen Bibelstelle sein? Setzt der aus dem Zusammenhang gegriffene Satz etwas voraus, das so nicht klar erkennbar ist? Wie kann nun die von der Bibelstelle abweichende Formulierung gedeutet werden? Am naheliegendsten scheint, auszuschliessen, dass alles, was man vielleicht wirklich in gutem Glauben oder in bester Absicht einem anderen tun will, nicht immer vom anderen auch erwünscht ist.
Ein Beispiel:
Jemand,
der sich nach körperlicher Zärtlichkeit sehnt ("Und wie ihr wollt, dass
die Menschen euch tun sollen...") und zu jemand anderem zärtlich ist
("...so sollt ihr ihnen tun!") kann mit dieser Deutung dramatische
Situationen auslösen. Im schlimmsten Fall die Traumatisierung des
anderen und selbst sträflichen sexuellen Übergriff begehen.
Sind
damit etwa die Verfehlungen vieler Priester erklärbar, die die
biblischen Regeln ganz besonders gut kennen und die goldene Regel so
deuten?
Wenn diese Überlegungen zutreffen, dann könnte der obige
Zusatz: "wenn es ihr Wille" gemeint haben, dass wir nicht nur von
unseren Bedürfnissen ausgehen dürfen, sondern immer auch berücksichtigen
müssen, ob sich mein Wille auch mit dem des anderen deckt.
Natürlich
gibt es weitere Regeln in der Bibel, die eine Missdeutung verhindern
würden, wenn man sie kennt. In dieser isolierten Form ist die Gefahr
einer Fehldeutung jedoch sehr gross.
Man sagt auch, die größten
Verbrechen geschehen, weil es jemand gut meint - also von der eigenen
Meinung ausgehend annehmen, dass andere ebenso denken, ohne sie zu
fragen.
Der Zusatz "...wenn es ihr Wille", verbietet jeden schädigenden Umgang mit anderen Menschen - sofern es sich um Mitmenschen handelt, die sich der Konsequenzen ihrer Entscheidungen bewußt sind, selbst erwachsen entscheiden können und wollen.